Ich seh‘ rot – Leder färben mit Krapp

Schon lange steht ein neuer Gürtel für meine bürgerliche Darstellung auf meiner To-Do Liste. Und da man im Winter sowieso zu nichts kommt und ich mich langsam schon nicht mehr mit dem alten Gürtel blicken lassen wollte, habe ich dieses Projekt vor einiger Zeit gestartet.

Bei meiner Recherche zu selbigen sind mir immer wieder rote Gürtelriemen aufgefallen, sei es bei anderen Darstellern, auf Abbildungen oder in der Literatur. Und da mir dies so gut gefallen hat, habe ich mich dazu entschlossen, auch einen roten Gürtel zu fertigen. Natürlich kam es für mich nur in Frage, einen vegetabil gegerbten und pflanzlich gefärbten Gürtelriemen zu verwenden und da man diese nicht oder nur selten kaufen kann, habe ich mich dazu entschieden es einfach selbst zu versuchen.

Dieser Blogpost informiert über die Hintergründe von gefärbtem Leder im Hoch- und Spätmittelalter und erklärt, wie man es Zuhause ganz einfach selber Leder mit Krapp färben kann. (Bilder am Ende des Beitrags)

*Dieser Beitrag enthält unbezahlte & unverbindliche Werbung*

Hintergründe zu gefärbtem Leder im Hochmittelalter

Dass im Mittelalter Textilien und andere organische Materialien (z.B. Leder, Knochen) gefärbt wurden ist selbstverständlich unumstritten. Dennoch möchte ich hier einen genaueren Einblick verschaffen, denn für eine historische Darstellung sind nicht nur grobe Informationen, sondern das Detailwissen sehr wichtig.

Die Quellen zum Färben von Leder sind im Hochmittelalter recht spärlich zu finden, zumindest sind mir für Deutschland vor dem 14. Jahrhundert keine bekannt. Dennoch heißt dies nicht, dass kein Leder gefärbt wurde oder man auf selbiges verzichten muss. Aus Handschriften können wir entnehmen, dass diese Praxis bereits im Frühmittelalter geübt wurde (Compositiones variae, 8.-9. Jahrhundert, später: Mappa Clavicula,, 12. Jahrhundert) bis ins Hochmittelalter hinein – allerdings vorrangig im mediterranen Raum – praktiziert wurde. Dies heißt allerdings nicht, dass die Menschen in Mitteleuropa auf gefärbtes Leder verzichten mussten, denn dieses wurde scheinbar bis nach Deutschland verkauft. So lassen sich Handelswege aus den großen Produktionsstätten von gefärbtem Leder in Spanien bis nach Venedig und Leipzig nachweisen.

Auch Plinius erwähnt, dass Krapp zum färben von Leder und Stoff unverzichtbar sei, und dies bereits im 1. oder 2. Jahrhundert nach Christus. (Plinius‘ Naturalis Historia, Buch 19, Kapitel 17) Auch im Buch „Medieval Fings from Excavations in London – Dress Accessories“ wird erwähnt, dass Leder gefärbt wurde. Dabei wird hervorgehoben, dass hierbei vorrangig die Farben Rot und Blau verwendet würden. Als Färbemittel werden hier vor allem Krapp und Rotholz genannt. Die Funde in den Ausgrabungen datieren alle zwischen 1150 und 1450, beziehen sich also (auch) auf das Hochmittelalter.

Das wohl bekannteste, exportierte gefärbte Leder ist das sogenannte Corduan-Leder. Dieses Leder ist intensiv strahlend rot und sieht schon fast zu unnatürlich aus, um mit pflanzlichen Stoffen gefärbt zu sein. Es wird mit einer speziellen Technik „weiß gegerbt“ (Alaun gegerbt) und nimmt deswegen die Farbe besonders gut auf. Das Corduan Leder wurde ursprünglich hauptsächlich in Cordoba in Spanien hergestellt, daher auch der Name, allerdings wurde es vor allem in der Buchmacherei angewendet.

Weiterhin gibt uns das „Liber Illuministarum“ Auskunft über Färberezepte für Leder. Leider ist dieses Buch aus dem Spätmittelalter und somit zwar als Anhaltspunkt, nicht aber als Beleg für das Hochmittelalter zu betrachten.

Auch im Innsbrucker Färbebuch von 1330 werden Färberezepte mit Krapp und Rotholz beschrieben, allerdings ist dieses Buch der Textilfärbung zuzuschreiben. Dennoch ist es sicher, dass in Deutschland auch bereits im 13. Jahrhundert mit Krapp gefärbt wurde, da beispielsweise um Speyer eines der größten Anbaugebiete für Krapp in Deutschland war und dort regelrecht massenweise produziert wurde. Auch im Elsass, um Braunschweig und im niederländischen Zeeland wurde Krapp bereits im 13. Jahrhundert kultiviert.

Ebenfalls wird Krapp in den „Capitulare“ von Karl dem Großen erwähnt und auch Hildegard von Bingen beschreibt es in einem ihrer Bücher. Dennoch wird auch hier nicht das Färben von Leder explizit erwähnt.

Die Rezepte in den Färbebüchern beweist nicht, dass auch Leder mit Krapp gefärbt wurde, dennoch ist es ein Hinweis darauf, dass es möglich gewesen ist.

Natürlich lassen sich auch andere Farben nachweisen, wie zum Beispiel schwarz oder blau. Allerdings untersuche ich in diesem Artikel vorrangig rotes Leder.

Rote bzw. farbige Gürtel in zeitgenössischen Quellen

Nun wissen wir also, dass Leder rot gefärbt und gehandelt wurde, ob es nun Zuhause in Heimarbeit entstand oder teuer eingekauft werden musste ist an dieser Stelle schwierig nachzuweisen (falls da jemand weitere Informationen hat würde ich mich sehr freuen, wenn ich Hinweise erhalten würde). Dennoch gibt es ja auch Bildquellen, an welchen wir uns orientieren können. Natürlich sind Bildquellen immer mit Vorsicht zu genießen: Nur weil es etwas EINMAL an EINER Stelle gegeben hat, heißt das nicht, dass das auch so getragen oder genutzt wurde. Wir müssen also schauen, ob wir mehrere Quellen finden, und die Quellen ggf. daraufhin prüfen, ob die Darstellung realistisch, ikonographisch oder allegorisch gemeint ist.

Weiterhin muss man bedenken, dass man auf Abbildungen nicht (oder nicht unbedingt) erkennen kann, welches Material der Maler gemeint hat. Im Fundgut lassen sich sowohl Leder, als auch Stoffgürtel nachweisen, beides könnte also auch auf Abbildungen gemeint sein. Manchmal lässt sich auch ein Muster erkennen, welches entweder auf eine Webung oder aber auch auf eine Punzierung hinweisen kann. Daher ist es schwierig zu differenzieren, welches Material auf Abbildungen verwendet wurde.

Auch ist insbesondere bei Statuen nicht immer die Originalfarbe erhalten. Diese sind somit leider nicht immer verlässlich.

Hier sind meine Recherche Ergebnisse:

Amsbury Psalter, ca 1240 (vermutlich ein gewebter oder punzierter Gürtel)

Macieowski Bibel, ca 1250

Ekkehard von Meißen, ca 1260 (Naumburger Dom)

Maria im Kapitol, ca 1290 (könnte rot sein)

Codex Manesse, ca 1305 (blau & schwarz, kein rot)

Codex Manesse, ca 1305 (rotes Zaumzeug, vermutlich Leder, allerdings kein Gürtel)

The Smithfield Decretals, frühes 14. Jahrhundert

Cathedral de Teruel, 14, Jahrhundert

Luttrel Psalter, ca 1330

Romance of Alexander, ca 1340

Graf Günther von Schwarzburg-Blankenburg, ca 1350

Wir sehen hier also, dass es zwischen 1250 und 1350 bereits zahlreiche Abbildungen von gefärbten Gürteln gibt. Dennoch lässt sich hier nicht final nachweisen, ob diese Gürtel wirklich rot gefärbt wurden oder ob die rote Farbe der Fantasie der Maler entsprungen ist. Wie schon früher erwähnt wäre es auch möglich, dass es sich um Stoffgürtel handelt. Betrachtet man allerdings die Masse an erhaltenen Lederriemen aus dem Hoch- und Spätmittelalter im Vergleich zu den erhaltenen textilen Gürteln, so erscheint es unwahrscheinlich, dass nur letztere gefärbt wurden. Da es kaum aufwendiger ist Leder rot zu färben, als Stoff rot zu färben ist es auch hier unwahrscheinlich, dass es nicht getan wurde.

Dennoch sind dies alles Hypothesen von mir und sollen kein Freifahrtschein für andere sein, dies einfach nachzumachen. Falls ihr euch dazu entscheidet rotes Leder zu verwenden solltet ihr diese Entscheidung auch vertreten und erläutern können. Mehr dazu in meinem Fazit.

Praxisversuch

Da nun die Hintergründe geklärt sind, möchte ich zeigen, wie ich beim Färben vorgegangen bin. Achtung! Ich bin keine professionelle Färberin und dies war mein erster Versuch mit sowas. Allerdings bin ich mit dem Ergebnis sehr zufrieden. Dennoch könnte es gut sein, dass es einfacher oder schneller geht, oder mit einer anderen Methode ein noch besseres Ergebnis erzielt werden könnte.

Was Ihr braucht:

  • 1 Lederriemen oder Lederstück (pflanzlich gegerbt!)
  • ca 100g Krapp
  • ca 20g Alaun
  • Wasser
  • Edelstahltopf und/oder große Plastikschüssel

Zum Färben benötigt man natürlich einerseits das Färbemittel und andererseits eine Beize. Die Beize benötigt man, um das Leder für das Färben vorzubereiten. Durch das Beizen wird das Material aufnahmefähiger und die Farbe somit letztendlich intensiver.

Da ich allerdings neugierig bin, habe ich auch ausprobiert ungebeiztes Leder zu färben. Dazu später mehr.

Die Färbematerialien habe ich bei Kette und Schuss besorgt.

Da ich wie gesagt noch keinerlei Erfahrung mit dem Färben hatte und einfach sehr experimentierfreudig bin, habe ich einfach mal drauf losgefärbt. Allerdings habe ich mir vorher ein paar Artikel zum Stoff färben online angesehen und auch mit Färbern oder Darstellern gesprochen, die schonmal Stoff oder Leder gefärbt haben.

Dabei herausgekommen ist folgendes Experiment:

Ich habe das Leder mit 20% Alaun einen Tag lang vorgebeizt. „20% Alaun“ bedeutet, dass ich das Leder gewogen habe (z.B. 100g) und dann 20% des Materialsgewichts (also 20g) an Alaun genommen habe. Das Alaun habe ich in handwarmen Wasser in einem Edelstahltopf aufgelöst und dann das Leder hineingegeben. Das Alaun sollte auf jeden Fall in einem Edelstahl oder Kupfertopf angewendet werden. Der Topf sollte danach nicht mehr für die Lebensmittelzubereitung verwendet werden.

Üblicherweise erhitzt oder kocht man den Stoff in der Beize und lässt ihn dann eine oder zwei Stunden ziehen. Da es nicht empfehlenswert ist, das Leder stark zu erhitzen und ich auch kein Thermometer habe mit dem ich die Temperatur hätte kontrollieren können, habe ich mich für eine Kaltbeize entschieden.

Also lies ich das Leder einfach 24 Stunden lang in der Beize liegen und habe zwischendurch umgerührt.

Nach dem Beizen kommt das Material in die „Brühe“ (so nennt man den Färbesud bei einer Beizenfärbung) Durch meine Vorab-Recherche hatte ich erfahren, dass die meisten Färber etwa 500g Krapp auf 25 Liter Wasser nehmen. Da ich natürlich nur einen kleinen Gürtelriemen färben musste und keine Meter an Stoff, habe ich das ganze in einer Kleinen 5 Liter Schüssel gemacht und nur 100g Krapp genommen. Wichtig ist, dass das Leder ausreichend Platz hat, damit die Stücke nicht nachher gegeneinander drücken und so Flecken entstehen.

Dann kam der Riemen in die Küpe und wurde dort für 2,5 Tage drin belassen. Zwischendurch habe ich immer wieder umgerührt, denn die Krapp-Teilchen sinken immer wieder zum Boden der Schüssel. Zum gebeizten Riemen habe ich übrigens auch ein Stück ungebeiztes Leder gegeben.

 

 

Das Ergebnis

Nach 2,5 Tagen kam dann ein umwerfendes Ergebnis heraus: Der Riemen war blutrot! Ich war darüber sehr euphorisch und habe mich unglaublich gefreut, dass so eine tolle Farbe entstanden war. Allerdings hatte ich nicht bedacht, dass das Leder im feuchten Zustand natürlich wesentlich dunkler ist als im trockenen. Dennoch, als der Riemen getrocknet war er immer noch sehr schön leuchtend rot. Da das Leder durch das Einlegen in Wasser leider schon ein wenig leidet, habe ich es danach zwei mal gründlich geölt und zum Abschluss nochmal gefettet. Dadurch ist es dann nochmal stark nachgedunkelt und ist jetzt ein sehr schönes Tiefrot.

Ich bin mit dem Ergebnis überaus zufrieden und hätte nicht gedacht, dass das so einfach geht. Allerdings braucht man natürlich auch ein wenig Geduld, denn auf die Schnelle geht das nicht. Vielleicht versuche ich mich demnächst auch mal an Indigo und bin schon gespannt, ob das auch so gut klappen wird.

Fazit

Gab es rotes Leder bzw. sollte man es für eine hochmittelalterliche Darstellung verwenden? Ich bin der Meinung: Ja!

Der Praxistest zeigt, dass sich Leder mit Krapp sehr leicht und dennoch intensiv rot färben lässt. Dies ist nicht teuer und mit wenig Aufwand zu bewerkstelligen.

Ebenfalls gibt es zahlreiche Abbildungen von roten (vermutlichen) Lederteilen.

Weiterhin weisen viele Quellen daraufhin, einige vor und nach dem Mittelalter, aber auch im Mittelalter. Diese Quellen sind nicht alle explizite Färberezepte, es ist also nicht nachzuweisen, welche Materialien damit behandelt wurden.

Bildnachweis: Smithfield Decretal, frühes 14. Jahrhundert

4 Gedanken zu “Ich seh‘ rot – Leder färben mit Krapp

  1. Svana schreibt:

    Ein toller Beitrag. Bloß ein klitzekleines Fehlerchen hat sich eingeschlichen. Bei Beizenfärbungen heißt es Brühe. Küpe heißt es bei Küpenfärbungen , in denen der Farbstoff erst chemisch durch Sauerstoffentzug reduziert wird. Also Indigo, Waid und Purpur.

    Like

Die Kommentarfunktion ist geschlossen.