Von Blech und Ringen – Der ritterliche Harnisch im 13. Jahrhundert

Heute möchte ich ein wenig über meine Rüstung erzählen, da immer wieder Fragen aufkommen, insbesondere zu den nicht oder weniger sichtbaren Schichten. Daher gibt es heute einen Blogpost dazu.

Für die, die nicht wissen, was ich darstelle, eine kurze Erklärung. Ich stelle einen englischen Hospitaliter dar, genauer gesagt einen Ritterbruder um 1291. Die Ausrüstung unterscheidet sich nur minimal von einem weltlichen Ritter. Bei diesen wären dann beispielsweise Details wie vergoldete Gürtelelemente oder seidene Waffenröcke zu finden.

Beginnen wir also mit der untersten Schicht; oder das, was man sowieso trägt: Die Unterwäsche.

Diese besteht aus einer Bruche und einem Hemd aus Leinen. Dazu trage ich noch Hosen aus Wolle und ein paar einfache Schuhe.

Nach der Unterwäsche beginnt das Anlegen des Harnischs. Man beginnt immer bei den Füßen und arbeitet sich nach oben vor. Noch eine kurze Erläuterung zur nachfolgenden Beschreibung; „mhd“ soll als Kürzel für den mittelhochdeutschen Begriff gelten, den man in Textquellen finden kann.

1. Als erstes kommen daher die Ringpanzerhosen (mhd. Îsenhosen). Diese sind unter dem Fuß bis zur Wade offen und werden geschnürt mit einem Lederriemen. Solche Schnürungen findet man bereits im 12.Jhd, aber auch bis zum Ende des 13.Jhds. Unterhalb des Knies ist dann noch ein weiterer Lederriemen eingeflochten, um das Gewicht noch etwas zu reduzieren und rutschen zu verhindern. Auch dieser Riemen ist in vielen Bildquellen und auf Grabplatten zu finden. Im Bereich des Knies ist eine Ellipse im Ringgeflecht eingesetzt, so erreicht man eine bessere Beweglichkeit des Knies.

2. Der nächste Schritt sind die sog. Diechlinge (mhd. Senftenier). Diese Diechlinge wurden als zusätzlicher Schutz der Oberschenkel entwickelt und bestanden vermutlich aus mehreren Lagen Textil, welche mit Rohbaumwolle gefüllt waren und anschließend abgesteppt wurden. In meinem Fall sind hier noch stählerne Kniekacheln befestigt, die man so im späten 13. Jhd. ausschließlich auf englischen Grabplatten finden kann. Oft schon kam bei befreundeten Darstellern die Frage auf, ob die Kniekacheln nicht eher aus dem späten 14. Jhd wären. Die Diechlinge werden einfach übergestreift und unter dem Knie mit einem Lederriemen verknotet, die Kniekacheln werden mittels einer Schnalle verschlossen und in Position gehalten.

3. Ein sehr wichtiger Bestandteil des ritterlichen Harnischs über viele Jahrhunderte waren Sporen. Daher trage auch ich welche, hier schon recht modern für das späte 13. Jhd. als Radsporn ausgeführt. Häufiger sind auf englischen Quellen zu dieser Zeit noch Dornsporen zu finden. Die Sporen sind für einen Reiter, der der Ritter nunmal ist, sehr wichtig. Ich habe zudem die Erfahrung gemacht, dass die Sporen die Ringpanzerhosen im Bereich des Knöchels noch zusätzlich fixieren.

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4. Wahrscheinlich einer der wichtigsten Bestandteile der Rüstung ist der Lendenier. Es handelt sich hierbei um eine Art gepolsterter Gurt, der aus mehreren Lagen Stoff besteht und ebenfalls abgesteppt ist. Hieran wird das Beinzeug (Ringpanzerhosen und Diechlinge) festgenestelt. Da lediglich Schriftquellen bekannt sind zu diesem Stück, ist mein Lendenier nur eine Interpretation. Mein Nachbau basiert auf einigen Jahren der Erfahrung mit diversen Konstruktionen, nun beim dritten Versuch angekommen ließen sich gute Trageeigenschaften erzielen. Der Lendenier ist stark tailliert, um das Gewicht des Beinzeugs, welches nicht unerheblich ist, auf die Taille zu verlagern und ein Verrutschen zu verhindern. Das Anlegen erfolgt mittels einer Schürung.

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5. Zunächst folgt ein textiler Panzerkragen (Mhd.Kollir), welcher einen hohen Stehkragen aufweißt und zusätzlich noch die Schulterpartie verstärkt. Diese Art Krägen sieht man z.B. im Codex Manesse recht eindeutig bei Fusssoldaten, es ist jedoch anzunehmen, dass sie auch unter dem ritterlichen Harnisch zu finden waren. Der Kragen garantiert verständlicherweise einen guten Schutz für den Hals, hat aber auch den angenehmen Nebeneffekt, dass Schweiß nicht an das darüberliegende Ringgeflecht kommt und es zu unerwünschtem Rost führt.

6. Dann wird ein Textilpanzer (mhd. Wambis o. Wambeis) angelegt, der eng auf Figur geschnitten ist, um natürlich möglichst viel Gewicht zu sparen. Er besteht aus Leinen und wird mit Wollflies oder Rohbaumwolle gefüllt. Alles in allem ist der Textilpanzer sehr dünn, an der dicksten Stelle (Torsobereich) gerade mal 4mm. Da viele Statuen sehr eng anliegende Ringpanzer zeigen, kann der darunter getragene Textilpanzer (wenn überhaupt einer getragen wurde)nicht besonders dick gewesen sein, welches auch das Ärmelfragment aus Bussy St. Martin in Frankreich belegt.

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7. Als Abschluss der textilen Rüstung trage ich eine abgesteppte Bundhaube, die sich an diversen Abbildungen orientiert. Auch diese ist relativ dünn und liegt eng am Kopf an.

8. Danach folgt das Ringpanzerhemd (mhd.Hauberk etc.)mit angesetzten Fäustlingen. Die Geflechtart ist 4 in 1, was dem europäischen Standard entspricht. Bei den Ringen handelt es sich um vernietete Flachringe mit einem Innendurchmesser von 8mm. Es ist wie schon erwähnt sehr körperbetont geschnitten, um möglichst viel Gewicht zu sparen. Das Hemd orientiert sich in seiner Fertigung und angewendeten Techniken an erhaltenen Hemden aus dem Spätmittelalter, vornehmlich aus dem 14. und 15. Jhd., jedoch weisen diese erhaltenen Hemden teilweise Elemente aus dem späten 13. Jhd auf. Sobald das Hemd gut sitzt, wird es noch mit einem einfachen Gürtel in der Taille fixiert, hierbei wird noch etwas Gewicht von den Schultern genommen.

Nun zum eigentlichen Schnitt des Hemdes:

Es wurden im Hüftbereich Keile eingesetzt, wie man sie auch bei der zivilen Kleidung beobachten kann. Hiermit wird eine gewisse Saumweite erreicht, mit der man selbst bei einem Ausfallschritt o.ä. gut im Schritt geschützt ist. Man bedenke hier zum Bsp. die Genititalien und die Position der Hauptschlagader, beides sehr verwundbare Stellen. Daher war es wichtig, diese Bereiche besonders zu schützen. Es sind in meinem Hemd insgesamt 6 Keile eingearbeitet, je einer an jeder Seite, und je zwei vorne und hinten links und rechts neben dem Reitschlitz. Die Ärmel sind der schwierigste Teil des Hemdes, hier wird es etwas kompliziert. Im Bereich der Achsel ist ein Keil eingesetzt, der im tiefsten Punkt der Achsel einen Richtungswechsel des Geflechts erzeugt. Hierdurch erreicht man eine deutlich bessere Beweglickeit und ist so bei allen erhaltenen Hemden zu finden. Von da ab verläuft der Ärmel konisch zulaufend bis zum Ellbogen. Hier ist dann ein weiteres, sehr wichtiges Detail eingearbeitet. An dieser Stelle wird eine Ellipse eingesetzt, ähnlich wie beim Knie. Es ensteht quasi ein angewinkelter Ärmel, was man auch wiederrum bei sehr vielen Originalen findet. Der Gedanke ist, dass sich durch den Winkel weniger Ringe in der Ellbogenbeuge stauchen, was die Bewegungsfreiheit deutlich erhöht. Richtung Handgelenk ist dann noch ein Schlitz im Hemd zu finden, der geschnürt wird, da ansonsten ein Anlegen des Hemdes mit enger Passform unmöglich wäre. Die angesetzten Fäustlinge bestehen aus Leder, mit einem leichten textilen Polster zum Schutz gegen Schwerthiebe. Dieser Punkt bleibt spekulativ, da es keine eindeutigen Quellen dazu gibt, jedoch lassen einige Statuen ein Polster vermuten. Ich habe mich bei der Rekonstruktion auf die Bachelorarbeit von Isak Krogh gestützt, vielen Dank an dieser Stelle für die Veröffentlichung!

9. Nun wird noch die Ringpanzerhaube (Coif) aufgesetzt. Es gibt hier unterschiedliche Versionen, wie eine solche getragen wurde, ich habe mich bei meiner Rekonstruktion an der Tofta-Coif aus Schottland orientiert. Diese weißt am Hinterkopf eine Schnürung auf, die bis in den Nacken reicht. Zur weiteren Fixierung der Haube ist ein Lederriemen im Schläfen – und Halsbereich in das Geflecht eingearbeitet. Die Ringpanzerhaube besitzt eine eingearbeitete Kinnpartie, um einen möglichst großen Teil des Gesichts zu schützen.

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10. Danach wird der Waffenrock (mhd. Wapenrôc)übergestreift. Für einen weltlichen Ritter wäre hier sicherlich Seide das Textil der Wahl ob diesem repräsentativem Kleidungsstück, bei einem Ordensritter jedoch erscheint mir das fehl am Platz. Daher ist meine Interpretation aus roter Wolle mit einem Leinenfutter gefertigt. Das weiße Balkenkreuz ist appliziert und orientiert sich an dem Banner der Hospitaliter. Der Schnitt ist ein einfaches Rechteck mit leichter Armkugel und eingesetzten Keilen für die Saumweite des Rocks. Der Waffenrock wird mit einem kleinen Gürtel in der tailliert.

11. Als nächstes folgt das einhändig geführte Schwert, in meinem Fall ein Oakeshott Typ XIV. Man kann Schwerter dieser Art sowohl im Fundgut als auch auf Abbildungen und Grabplatten finden. Es handelt sich hierbei aufgrund meiner Aktivität als Fechter um ein stumpfes Fechtschwert, was jedoch in seinen Proportionen und Gewichtung recht nah an die Originale hereinreicht.

Geschützt wird das Schwert von einer Scheide mit Holzkern, der wie die mittelalterlichen Originale sehr grazil ist und aus zwei Hälften besteht. Darüber wird dann Leder gespannt und mit einem weißen Gurt versehen, die Art der Flechtung entspricht englischen zeitgenössischen Quellen. Geschlossen wird der Schwertgurt mit einer einfachen D-Schnalle aus Messing. Das Schwert wird auf der rechten Seite oberhalb des Hüftknochens getragen und verläuft dann ungefähr in einem 45° Winkel nach unten.

12. Darauf hin wird der Topfhelm angelegt. Mein Helm ist eine sehr genau ausgeführte Rekonstruktion des Dargener Helms um 1280. Der Helm ist aus Vergütungsstahl geschmiedet und weißt eine Materialstärke von 2 – 2,2 mm auf und wiegt mit Futter stolze 5,5 kg. Typisch für Helme dieser Zeit ist eine Visierspange, wie sie auch auf englischen Grabplatten zu finden ist. Im Helm ist ein textiles, abgestepptes Futter angebracht und mit Riemen verknotet. Dieses Futter weißt je nach Position sehr unterschiedliche Materialstärken auf, um am Kopf perfekt zu sitzen und möglichst wenig zu wackeln. Eigentlich sitzt der Helm sehr gut im diesem Polster, wird jedoch noch unter dem Kinn gebunden mittels weicher Hirschlederriemen.

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13. Zu guter Letzt folgt noch die primäre Verteidigungswaffe des Ritters, der Dreiecksschild. Dazu sei gesagt, dass mir dieser zum jetzigen Zeitpunkt noch fehlt, sich ein Exemplar davon aber in der Fertigung befindet und in den nächsten Monaten sollte dieses Projekt zum Abschluss kommen.

Der Schild wurde aus Holzplanken gefertigt, die allermeisten Funde sind aus Linde, so auch in meinem Fall. Über das Holz wurde Rohhaut gespannt und fest genagelt, über die Rohhaut kommt dann noch ein Kreidegrund und die jeweilige Bemalung, in meinem Fall wieder das weiße Kreuz und der rote Grund. Anschließend folgt noch die Beriemung des Schilds.

Quellen

Kniekacheln auf der Grabplatte des William de Marmion (2. Hälfte 13. Jahrhundert)

Zeichnung der Grabplatte des Richard Wellesbourne de Montfort (1286)

Topfhelm von Dargen (1280)

Tofta-Coif (13.-14. Jahrhundert)

Abbildung eines Textilkragen im Codex Manesse

Da eine häufige Frage der Besucher ist, was alles zusammen wiegt, sei diese auch hier beantwortet. Ich schätze das Gewicht auf ca 25 – 30 kg.

Milan