Wir befinden uns mitten im Winter und der Winter ist – wie man weiß – die Zeit in der man all die Projekte umsetzen muss, die man sich im Sommer vorgenommen hat. Auf unserer Liste standen unter anderem neue Gürtel für Ann und mich und außerdem diverse Aufbewahrungsmöglichkeiten wie Taschen, Beutel usw.
Daher hat es uns umso mehr gefreut, dass wir vom lieben Milan zu einem Lederworkshop eingeladen wurden. Hier wollten wir die Grundlagen des Arbeitens mit Leder lernen und nebenbei ein paar von unseren Listenwünschen abarbeiten.
Die Ergebnisse und Vorgehensweise stellen wir Euch nun vor.
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Angefangen haben wir damit, uns verschiedene Lederarten anzusehen um die Haptik und und Struktur kennenzulernen. Über das wunderbar weiche Lammleder, hin zu verschiedenen Qualitäten von Ziegen- und Rindsleder, bis hin zum sehr festen Hirschleder haben wir uns durchgetastet.
Dann ging es an das Rekonstruieren unserer Gürtel. Für mich sollte es ein einfacher Gürtel für meine Arbeiterinnen-Darstellung werden, für Ann ein aufwendiger „Sonntagsgürtel“ für ihre Darstellung als Seidenstickerin.
Ich habe mich für einen einfachen Riemen aus naturfarbenem Rindsleder entschieden. Die Gürtelschnalle ist eine Rekonstruktion von zahlreichen Abbildungen u. a. an Figuren des Straßburger Münsters oder des Bamberger Doms, sowie verschiedenen Funden aus London Sie weist den für die 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts typischen „Perlstab“ auf.
Das Gürtelblech ist ein einfaches Messingblech, wie es für fast alle Gürtel dieser Zeit typisch war.
Zuerst wird das Gürtelblech in Form geschnitten. Dann wird das Langloch angezeichnet und ausgefeilt. Dazu markiert man die horizontale und vertikale Mittellinie und zeichnet ein kleines Rechteck in der Größe des Gürteldorns auf.
Danach wird das Langloch ausgefeilt. Dazu haben wir zunächst ein kleines Loch in der Größe der Feilenspitze in das Blech gebohrt (die historische Alternative wäre wohl, das Loch mit einem Schlageisen in das Messing zu schlagen). Danach folgt die Sisyphusarbeit, das Loch über die gesamte Breite schön gleichmässig auszufeilen.
Anfangs hatte ich das Gefühl überhaupt nicht voranzukommen, doch nach der Zeit hatte ich den Dreh raus, wie ich die Feile ansetzen muss, damit man endlich Fortschritte sieht. Nach ca einer Stunde Feilen war das Langloch endlich fertig.
Als nächstes werden Gürtelschnalle und Gürtelblech „zusammengesetzt. Dazu wird das Blech über die Schnalle „gestülpt“ und in der Mitte gefaltet. Dann wird das ganze über ein Riemenende gesetzt, mit einer Zange schön fest ans Leder angedrückt. Danach werden mindestens zwei, je nach Größe des Gürtelbleches aber auch mehr, Löcher durch das Blech gebohrt, in welche im Anschluss Messingnieten eingesetzt werden. Diese werden im Anschluss mit einer Zange vernietet.
Mein Gürtelblech ist kurz und hat keine Verzierung. Das von Ann ist um einige Zentimeter länger und wurde der Verzierung eines Fundes aus London (Keramik-Phase 9, 1270-1350, aus Dress Accessories) nachempfunden. Dazu wurde das Muster mit einem Messingnagel und einem Hammer Punkt für Punkt in das Blech geklopft. Dies erfordert einiges an Feingefühl und Geschick, das Ergebnis kann sich aber sehen lassen.
Nun folgte für meinen Gürtel noch das Riemenende. Dieses ist ebenfalls ein einfaches Messingblech ohne Verzierung. Das Ende läuft ein bisschen schmaler zu, eine Form, die man auf zahlreichen Bildern und Fundkomplexen nachweisen kann. Dazu schneidet man zwei Bleche in Form des Gürtelendes zurecht. Diese werden dann in derselben Art und Weise wie das Schnallenblech auf das Leder genietet. Fertig ist mein erster Gürtel.
Anns Gürtel ist leider noch nicht ganz vollendet, da die bestellten Riemenstecker noch nicht geliefert wurden. Das Gürtelende wird voraussichtlich in der selben Art und Weise wie das Schnallenblech von ihr verziert werden.

Mein fertiger Gürtel.
Neben den Gürteln haben wir aber noch andere Sachen gefertigt, zum Beispiel den typischen Schleswig Beutel. Für diesen wird einfach ein rechteckiges Stück Leder zurechtgeschnitten. Das Durchschnittsmaß dieser Beutel liegt bei ca 11 cm x 18 cm, welches wir berücksichtigt haben. Man schneidet also ein Stück in der Größe 18 cm x 22 cm zurecht (wir haben dafür Ziegenleder genommen) und faltet es einmal der Länge nach. Dann werden die Seiten mit einer Sattlernaht zusammengenäht. Zunächst sticht man die Löcher mit einer Ahle vor, dann näht man. Die Schwierigkeit hierbei ist, die Löcher nicht zu dicht am Rand, und in gleichmäßigen Abständen aufzuzeichnen. Hilfreich ist es dabei, sich eine Hilfslinie anzuzeichnen und darauf zu achten, diese auf der Innenseite einzuzeichnen, da der Beutel zum Schluß gewendet wird.
Hat man die Seiten zusammengenäht schneidet man mit einem scharfen Messer die Schlitze für den Zug in das Leder. Diese zeichnet man ebenfalls vor um ein gleichmäßiges Ergebnis zu erhalten.
Ist dies geschafft, muss man lediglich das Zugband durch die Schlitze Fädeln. Für das Zugband schneidet man einen Streifen in doppelter Breite zurecht. Dieser wird in der Mitte gespleißt, nur am Ende bleiben 2-3 cm zusammen. Jedes der beiden Enden wird dann auf einer Seite durch den Beutel gefädelt. Das noch verbundene Ende wird am Schluss an der Innenseite des Beutels vernäht. Zum Schloss verknotet man die Beiden enden und fertig ist der Beutel.
Zu guter Letzt habe ich dann noch ein Nadelfutteral, ebenfalls aus dem Fundkomplex in Schleswig, rekonstruiert
Dieses besteht aus hellem, weichen Lammleder. Hergestellt wurde es in ähnlicher Weise wie der Schleswig Beutel, jedoch ist hier die Besonderheit, dass der Beutel nicht von auf Links zusammen genäht, und dann gewendet wird, sondern von Rechts zusammengenäht wird. Dazu habe ich mit einer feinen Ahle alle paar Milimeter ein Loch gestochen und das untere Drittel des Zuschnitts nach umgeklappt und auf das mittlere Drittel genäht. Das obere Drittel wird dann genutzt um das Futteral zu öffnen und zu schließen.
Diese Klappe wird außerdem mit Zierstichen versehen, die wie die Stiche für die Naht fortlaufen. Verschlossen wird das Futteral dann mit einem Band, welches durch drei Schlitze führt, und durch die Zierstiche mit der Klappe verbunden wird.
Fertig! Wir haben unsere ersten Erfahrungen auf dem Gebiet der Lederverarbeitung gesammelt.
Abschließend können wir sagen, dass uns der Workshop sehr viel Spaß gemacht hat und uns einen neuen Bereich unseres absolut tollen Hobbys aufgezeigt hat. Nicht nur bietet uns die Lederarbeit – irgendwann, wenn wir unsere Fähigkeiten erprobt und ausgebaut haben – die Möglichkeit selbst Rekonstruktionen von vielen Alltagsgegenständen anzufertigen, es ist auch ein weiterer Aspekt, der die Recherche und Anfertigung von neuen Gegenständen nie langweilig werden lässt.
Wer sich für das Thema interessiert, sollte unbedingt die hilfreiche Literatur zur Hand nehmen, mit welcher wir auch gearbeitet haben. Die Publikationen über umfangreiche Fundkomplexe wie beispielsweise der in London oder Schleswig bieten nicht nur ausführliche Beschreibungen und Datierungen der gefundenen Originalteile, sondern auch viele detaillierte Abbildungen, welche eine Rekonstruktion enorm erleichtern. Dadurch ist es gar nicht nötig, sich eigene Varianten auszudenken, oder unhistorische Vorbilder für die Rekonstruktion zur Hilfe zu nehmen, denn die Vielfalt der Funde und der Nutzen der verschiedenen Gegenstände ist enorm groß. Die Lederarbeiten des hohen und späten Mittelalters lassen sich also sehr gut und genau rekonstruieren. Eine Liste hilfreicher Literatur ist am Ende des Beitrags aufgeführt. Wichtig ist auch die richtige Planung und das Konzept des anzufertigenden Stücks bevor man loslegt.
Neben den beschriebenen Arbeiten möchten wir sagen, dass der Workshop ein Riesenspaß gewesen ist. Milan war sehr hilfreich und stand immer mit gutem Rat zur Seite. Die Atmosphäre war nicht nur produktiv, sondern auch sehr warmherzig und lustig. Somit konnten wir nicht nur jede Menge über das Lederhandwerk lernen und anwenden aber auch einen intensiven Austausch mit „Gleichgesinnten“ der Szene betreiben.
Vielen Dank auch an das Schellenberghaus und insbesondere Dominic für die Bereitstellung der Räume und die tolle Gastfreundschaft. Ebenfalls vielen Dank an die Teilnehmer von Diu lebendec Histôrje e.V. für den Austausch und die gute Stimmung. Und natürlich ein riesiges Dankeschön an Milan für seinen Einsatz, seine Erläuterungen und die Hilfestellung. Es war sehr schön mit Euch und wir hoffen, dass wir das bald einmal wiederholen, bzw. ausbauen können.
Literaturtipps:
- Ausgrabungen in Schleswig, Mittelalterliche Lederfunde aus Schleswig – Futterale, Riemen, Taschen und andere Objekte, Christiane Schnack, Wacholtz Verlag, 1998
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Dress Accessories: Medieval Finds from Excavations in London, Geoff Egan, Boydell Press, 2013
- Gürtel des hohen und späten Mittelalters, Ilse Fingerlin, Deutscher Kunstverlag, 1971
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Knives and Scabbards (Medieval Finds from Excavations in London), J Cowgill, Boydell Press, 2013
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Shoes and Pattens: Finds from Medieval Excavations in London, Francis Grew, Boydell Press, 2013
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Die mittelalterlichen Schuhe aus Schleswig: Ausgrabung Schild 1971-1975, Christiane Schnack, Wacholtz Verlag, 1992
2 Gedanken zu “Historischer Lederworkshop – Erfahrungen und Ergebnisse”
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