Mehr oder weniger nette Anekdoten mit Besuchern auf Veranstaltungen haben wir doch alle in petto. Da werden schonmal seltsame Fragen gestellt oder Anmerkungen gemacht, die weit an der darstellerischen Tätigkeit vorbeigehen. Na und? Dafür sind wir als ernsthafte Darsteller nunmal da. Wir wollen aufklären, zeigen, erzählen; dumme Fragen gib es nicht, nur dumme Antworten.
Ich habe mir für dieses Hobby zum Ziel gesetzt, so viel Wissen wie nur möglich zu verbreiten und Missverständnisse über die uns allen geliebte Epoche aus dem Weg zu räumen.
Das Resultat? Je ernster der interessierte Besucher genommen wird, desto lieber lässt er sich auch erzählen, dass das Mittelalter aus mehr als nur brandschatzenden, vergewaltigenden, immer erkälteten Räuberhorden besteht. Ich nehme mir gerne die Zeit, mein Wissen mit dem geneigten Zuhörer zu teilen und meine sorgfältig recherchierten und angefertigten Sachen zu zeigen.
So viel sei vorweg gesagt.
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Meine kleine Geschichte fand in diesem Jahr am 16.05. auf dem Epochenfest Jülich statt. Ich habe über den Winter viel an meiner Darstellung als Bürgerin aus dem Raum Köln in den 1290ern gearbeitet, recherchiert, gelesen, schließlich eine für eine Studentin fast schon unverantwortliche Menge Geld in Stoffe, Garne und diverse andere Materialen investiert. Dann war es endlich soweit: Die erste Veranstaltung. Und ich kam mir genau so vor, wie ich an diesem Wochenende von zahlreichen Kindern tituliert wurde: Wie eine Prinzessin.Zur kurzen Erläuterung: Meine Ausstattung umfasste ein indigoblaues Wollkleid mit geknöpften Unterarmen, natürlich überlang am Rock. Am Hals verschlossen mit einer goldfarbenen Schließe nach Vorbild einer Figur der Bamberger Synagoge. Dazu ein Vollschleier aus Seide. Es war schließlich Pfingsten, Grund genug mich so richtig rauszuputzen. Am Gürtel eine Paternosterschnur aus brauner Seide mit Steinen aus Bergkristall, Koralle und Achat. Dazu ein Beutel aus zwiebelgelber Wolle, bestickt mit krapproter Seite und natürlich den passenden krapproten Troddeln. Meine Bürgerin soll schließlich nicht arm sein. Mit meinem beim Schreinermeister meines Vertrauens angefertigtem neuen Stickrahmen (unbehandeltes Eichenholz, helle Färbung) saß ich also gut sichtbar vor unserem Zelt und fühlte mich wie die schönste Märchenprinzessin. Hochmut kommt eben vor dem Fall.
Wie ich also dort saß und sehr stolz auf meine liebevoll gefertigte Ausstattung war, hörte ich plötzlich eine Männerstimme.
„Guck mal, die Bettlerin.“
Bettlerin? Davon fühlte ich mich nicht angesprochen und widmete mich weiter meiner Stickerei. Ich schaute erst auf, als ich Stimmen direkt vor mir wahrnahm. Als ich aufblickte sah ich gerade noch, wie ein Vater mit seiner etwa sechsjährigen Tochter an mir vorbeischritt und auf mich deutete.
„Papa, das ist doch keine Bettlerin, das ist eine Prinzessin.“ Ließ das Mädchen verlauten.
„Nein, nein.“ Der Vater schüttelte entschlossen den Kopf und lächelte ob der Dummheit seines Kindes. „Guck doch, die muss für ihr Geld arbeiten, also ist sie eine Bettlerin.“
In diesem Moment wollte ich meinen guten Vorsatz, so viel Bildung übers Mittelalter wie nur möglich zu verbreiten, fallen lassen. In diesem Moment ist ein Stück von meinem Prinzessinnenherz gestorben.
Ann
PS: Nein, ich liebe das Hobby und meine Sachen nach wie vor. Aber ein bisschen Dramatik zur Abrundung der Geschichte muss sein.
Die Ähnlichkeit ist frappierend.
Ein Gedanke zu “Der Tag an dem ich zur Bettlerin wurde”
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