Das Unterkleid – St. Louis Shirt (Teil 1)

Die Living History Darstellerin von Heute plagen zwei Fragen: Was ziehe ich an, und was soll ich kochen? Während die nette Dame aus der Werbung Hilfe von Dr. Oetker erhält, muss sich die Darstellerin selbst um den Menüplan kümmern und Monate, wenn nicht gar Jahre in die Erstellung ihrer Garderobe stecken. So auch ich, und da ich sowohl im Alltag, als auch im Mittelalter stets gerne gut angezogen bin, fließt ein Großteil meiner Freizeit in die Anfertigung meiner Living History Kleidung.

Doch leider kann dem ein oder anderen da auch schonmal die Eitelkeit in die Quere geraten und die Frau von Welt möchte natürlich nicht nur ein Kleid, nein am besten gleich zwei, drei oder gar vier… Naja und was kommt drunter? Ach, das sieht doch eh keiner, das kann ich ja später machen.

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Viele Wochen, Monate, naja vielleicht sogar ein Jahr später, steht man zwar mit vielen schönen Kleidern, aber immer noch mit dem billigen, baumwollenen, maschinengenähten Unterkleid da. Asche auf mein Haupt.

Da dieses Teil nun aber schon lange nicht mehr meinen Ansprüchen genügt und im Sommer eklig warm und schwitzig nass wird, brauchte ich unbedingt ein historisch belegbares, handgenähtes Leinenunterkleid. Deswegen war ich vor ein paar Wochen endlich motiviert und habe angefangen.

Als Vorlage sollte der Schnitt des St. Louis Shirts dienen. Dieses ist ein erhaltenes Unterkleid aus dem Pariser Raum und datiert auf das späte 13. Jahrhundert, genauer gesagt die Jahre 1270-1280. Es hat einen stoffsparenden Zuschnitt und deckt sich in seiner Konstruktion mit den meisten Kleidungsfunden aus dem 13. und frühen 14. Jahrhundert. Auffällig an diesem Schnitt ist, dass es entgegen der großen Mehrzahl der Funde keine Schulternähte hat.

Als Basis für die Rekonstruktion des Schnittes habe ich mir folgende Betrachtungen angesehen und  daraus, kombiniert mit meinem Wissen über die Kleidung des späten Hochmittelalters, mein eigenes Schnittmuster erstellt:

Aufgrund meiner Berechnung brauchte ich ca. 2,50 Meter weißen Leinenstoff bei einer modernen Webstuhlbreite von 1,40 m oder etwa 4 Meter bei einer für das 13. Jahrhundert angenommene Webstuhlbreite von ca. 1 Meter. Ich habe mich für dieses feine, gebleichte Leinen von Naturtuche entschieden, und dazu passendes Leinengarn gekauft.

Ich muss gestehen, ich bin keine ordentliche Näherin, ich kann weder gerade Linien zeichnen, noch wirklich sauber ausschneiden und schon gar nicht habe ich Lust dazu, 5 Meter Leinen (ich habe etwas mehr gekauft, da ich später auch noch ein neues Unterkleid für meinen Freund nähen möchte) vor dem Nähen zu bügeln. Deswegen ist das ganze eine etwas knitterige Angelegenheit geworden.

Der Zuschnitt (Teil 1)

Photo 21-05-16 13 03 04 Vorder- und Rückenbahn sind bei diesem Schnitt aus einem Stück. Die gestrichelten Linien zeigen, wo später die Schulter sitzen soll. Den dreieckigen Halsausschnitt habe ich bereits vorgemalt. Die Bahn ist ca. 50 cm breit und Vorder- und Rückseite jeweils ca. 1,20 m (also insgesamt 2,40 m) lang. Ich habe einen stoffsparenden, geraden Zuschnitt gewählt.

Hier sieht man noch einmal den Zuschnitt des Halsausschnittes

Als nächstes habe ich die Geren aufgezeichnet. Ich wollte dem Original entsprechen jeweils eine Gere vorne und hinten einsetzen. Da ich einen stoffsparenden Zuschnitt gewählt habe, habe ich die Geren jeweils so breit gemacht, wie die Vorder- und Rückbahn. Die Länge wurde so gewählt, dass die Geren auf Höhe des Bauchnabels eingesetzt werden.

Ich habe also ein 80 cm langes, 50 cm breites Stück aufgemalt und dieses in drei dreieckige Partien unterteilt, sodass ein ganzer und zwei halbe Keile entstanden.

Die beiden halben Keile werden dann zu einem Keil zusammengenäht und auf der Rückseite eingesetzt.

So sieht das ganze aus:

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Teil 2 ist die Gere für die Frontbahn, Teil 1 & 3 werden zu einer neuen Gere zusammengenäht und in die Rückbahn eingesetzt.

Als nächstes habe ich einen Schlitz in die Front- und die Rückbahn geschnitten, damit die Geren eingesetzt werden können.

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Dann ging es endlich ans erste Zusammennähen. Ich habe mich dazu entschieden, die einzelnen Teile mit dem Rückstich zusammen zu nähen, und am Schluss mit einer sogenannten falschen Kappnaht (umgelegte Naht, mit Überwendstich vernäht) zu versäubern.

Das sieht dann so aus:

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Die Gerenteile werden mittels Rückstich zusammengenäht.

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Dann wird die Naht umgelegt und mittels Überwendstich festgenäht und versäubert.

Die Naht von Links und von Rechts.

Dann müssen die Geren in den Schlitz eingesetzt werden um sie dann ebenfalls mit Rückstich und Überwendstich einzunähen.

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So sieht das ganze dann von Links aus.

Dann habe ich die Seiten mit derselben Technik zugenäht.

Davon habe ich leider noch keine Bilder, da ich zwischenzeitlich ein bisschen die Lust verloren habe. Dies hatte folgende Gründe:

  • Ich finde es ist ein absoluter Krampf Leinen zu nähen. Der Stoff ist so widerspenstig und hart, dass mir irgendwann die Finger wehtun vom „Nadel-durch-den-Stoff-stechen“.
  • Man muss nur einmal weg- und wieder hingucken und schon löst sich die Schnittkante auf.
  • Das Garn verknotet und reisst sehr häufig.

Ich weiß, das ist Jammern auf hohem Niveau. Doch ich bin schon sehr verwöhnt von der weichen und feinen Wolle, die ich für meine Oberkleider genutzt habe. Nichtsdestotrotz muss ich mich jetzt beeilen, denn ich möchte unbedingt auf der nächsten Veranstaltung auch untendrunter richtig angezogen sein. Und das ist schon in zwei Wochen.

Deswegen folgt hier in kürze Teil 2 und das Endergebnis.

Laura