Die Kleidung einer Kölner Bürgerin im ausgehenden 13. Jahrhundert
Heute zeigen wir euch als Out fit of the Day den Sonntagsstaat einer reichen Bürgerin, wie sie es in Köln um 1300 getragen haben könnte. Wir nennen diese Kombination auch liebevoll „Das Königinnenoutfit“. Für eine Königin ist es allerdings viel zu schlicht, doch für eine Bürgerin? Die Kleider sehen doch verdächtig nach Adel aus, ist das also nicht alles viel zu teuer und hochwertig für eine Bürgerin? Bürger muss man doch schließlich optisch vom Adel abgrenzen können, nicht wahr?
Die Antwort lautet: Nein, nicht wahr.
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Kleider machen Leute
In der mittelalterlichen Gesellschaft galt der Grundsatz: „Du bist, was du trägst.“ In einer Gesellschaft ohne soziales Auffangnetz waren die Menschen gezwungen, sich in die Gemeinde einzufügen und ihre entsprechende gesellschaftliche Rolle einzunehmen. Aufgrund der Abwesenheit von (sozialen) Medien konnte ein König, ein Herzog, ein Bürgermeister nur dann als solcher erkannt werden und als solcher agieren, wenn er zeigte, was er war. Das bedeutete, dass der Wohlstand offen gezeigt werden musste und auch wollte. Feine Stoffe, teure Färbungen, aufwendige Accessoires, all das kennzeichnet Reichtum schon auf den ersten Blick.
Aber wie ist das nun mit Bürgern gewesen? Die können doch niemals so reich wie Adlige gewesen sein, oder? (WICHTIG! Die Themen Bürgertum, Patriziat und Zünfte unterscheiden sich stark von Stadt zu Stadt. Die folgenden Informationen gelten einzig und alleine für die Stadt Köln und das zugehörige Umland im Zeitraum um 1300)
Die Kölner Bürger
Köln stellt in Fragen rund um das Thema Bürgertum in vielen Belangen einen Sonderfall dar. Nicht nur war Köln neben Paris und Zürich die einzige Stadt, in der sich reine Frauenzünfte nachweisen lassen, nein, die Stadt zeichnete sich im Spätmittelalter vor allem durch ein auffällig selbstbewusstes Bürgertum aus. Diese erkämpften nicht nur in 1288 in der Schlacht von Worringen ihre Unabhängigkeit von der erzbischöflichen Stadtherrschaft und führten die Stadtverwaltung von nun an durch einen eigenen Rat aus. Nein, sie schlugen sich in folgenden Konflikten auch nach Belieben auf die gegnerische Seite und demonstrierten somit immer wieder ihre Macht und die Autonomie gegen den Erzbischof (Vgl. Konflikt zwischen Erzherzog Siegfried von Westerburg und Herzog Johan I. von Brabant). Die Bürger nutzen ihren politischen Einfluss zur Verbesserung der Zunftbestimmungen und daraus resultierend für ihre Auftragslage und kämpften wiederholt nicht nur gegen die Herrschaft des Erzbischofs, sondern auch gegen die emporstrebenden Patrizier.
Die Kölner behielten sich in den meisten Zünften vor, ihre Arbeit als Preiswerk und nicht als Lohnwerk anzubieten. Sie arbeiteten also nicht nur auf Bestellung, sondern stellten nach Belieben von ihren Waren her, die sie dann in den Kölner Kaufhäusern oder auf auswärtigen Messen anboten. Zu den wohlhabendsten Kölner Zünften gehörten im Spätmittelalter u.a. die Seidenstickerinnen (in den Zunftbestimmungen zusammengefasst mit den Wappenstickern) und die Goldspinnerinnen. Diese brachten einflussreiche Politikerinnen hervor, die mit großem Engagement im Vorsitz ihrer Zünfte saßen und diese mitverwalteten. (Vgl. Lösch, Band 1) Im spätmittelalterlichen Köln lebten also nachweislich Frauen, die
- Bürgerinnen waren
- Mitglieder in den reichsten städtischen Zünften waren
- Mitglieder im Zunftvorstand waren
- Eigene Handwerksbetriebe führten
- Den Umfang ihrer Produktion eigenständig bestimmten
- Durch geschickte Politik die Zunftrechte und städtischen Bestimmungen zugunsten ihrer eigenen Betriebe und Einnahmen lenkten
Echte Geschäftsfrauen, also.
Die reiche Bürgerin
Basierend auf diesen Erkenntnissen habe ich mein Outfit für den Sonntagsstaat einer reichen Kölner Bürgerin/Seidenstickerin zusammengestellt, die ihren Reichtum (selbstverständlich) zur Schau getragen hat:
Mein Ensemble für eine ziemlich wohlhabende Bürgerin besteht aus einem Kleid, das mit Reseda gefärbt wurde und mit Bronzeknöpfen an Unterarmen und Halsausschnitt verziert wurde. Den Aufzeichnungen über den Wohlstand einiger Kölner Bürgerinnen zufülge könnte ich auch locker noch eine Schippe drauflegen und ein bisschen Gold und teurere Färbung zeigen, aber mir gefiel die Kombi mit dem knalligen Gelbton, weswegen mein blaues und mein grünes Kleid im Schrank bleiben mussten.
Accessoires: Ein Reif aus Messing (ja, auch hier dürfte es gerne etwas edleres Metall sein, aber was nicht ist, kann ja noch werden) und ein schlichter Ring aus Gold sowie eine Gebetsschnur aus Achat mit Zwischenperlen aus Gold auf einer Seidenseele.
Die Schleier sind aus Seide (rechteckiges Tuch) und gebleichtem Leinen (sehr langes rechteckiges Tuch, das – inspiriert nach den Straßburger Jungfrauen – über dem Reif getragen wird).
Das Überkleid folgt der im späten 13. Jahrhundert sehr modischen Form mit 3/4-langen Ärmeln, die man gehäuft in Bildquellen und an Statuen sieht. Es besteht aus Wolle als Oberstoff, der mit Reseda und Indigo gefärbt wurde, das Futter ist schließlich feine Seide in der Doppelfärbung Krapp und Indigo.
Ich wurde bei der ersten Veröffentlichung von Bildern meines Kleides gehäuft zu Seide als Futterstoff gefragt, weswegen ich diesem Aspekt im Folgenden ein paar Zeilen widmen möchte.
1. Testament des Kölner Bäckermeisters Ruitger Hiltprand
In der Zeitschrift G/Geschichte vom November 1986 (damals noch „Geschichte mit Pfiff“) ist von dem Testament des Kölner Bürgers und Bäckermeister Ruitger Hiltprand die Rede. Dieser lebte im 15. Jahrhundert in Köln und hinterließ bei seinem Tod folgende (man könnte sagen „protzige“) Kleidungsstücke:
– Vier Mäntel aus feinem Tuch, zwei davon mit Seide gefüttert
– Zwei Schauben mit nicht näher definierten Besätzen aus Samt, Damast, Atlas, Seide, Hermelin und Feh.
– Zwei Tapperte aus Samt mit Seidenfutter und Pelzverbrähmung
Seine Frau Diemut besitzt – weniger kostspielig und dennoch den Umfang betreffend recht interessant:
– Sechs weiße Schürzen
– Zwei weiße Baderöcke
– Fünf Unterhemden
– Zwei Halshemden
– Sieben Paar Ärmel
– Eine Haube
– 19 Schleider
Leider konnten wir bisher nicht herausfinden, ob das Testament heute noch erhalten oder dem Archiveinsturz von 2009 zum Opfer gefallen ist.
2. Zunftrolle der Aachener Bombasinenmacher von 1387
Zu dieser Quelle sei direkt angemerkt, dass sie nicht in edierter Form vorliegt, wer meine Aussagen also persönlich überprüfen möchte, kann das im Aachener Stadtarchiv durch Einsicht des Orginaldokuments tun (Zünfte 51, vgl. auch Zünfte 43).
Die Zunft der Bombasinenmacher stellten in Aachen und Köln Tuche aus Seide oder Wolle her, die ausdrücklich als Futterstoff verkauft wurden. Modernes Bombasin bezeichnet indes ein Mischgewebe aus Seide und Wolle, doch die Kombination beider Materialien waren im Spätmittelalter noch nicht gebräuchlich.
In der Zunftrolle ist vermerkt, das ein von den Bombasinern gewebtes Tuch weder verkauft noch gefärbt werden durfte, bevor es nicht durch die Werkmeister geprüft und mit einem entsprechenden Siegel versehen wurde. Die Färber wurden vom Werkmeistergericht dazu verpflichtet, alle 14 Tage die Anzahl und Namen der Meister anzugeben, von denen sie Seiden- oder Bombasintücher erhalten hatten. Infolge der daraufhin erfolgenden Qualitätsprüfung erhielten die Seidentücher ein besonderes Siegel, das nach der Färbung durch ein oder zwei erneut andere Siegel – je nach Qualität der Färbung – ausgetauscht wurde.
Funfact: Sowohl Aachen als auch Köln beschränkten ihre Tuchproduktion auf stückgefärbte Tücher. Das bedeutet, dass weder Kammzug noch gesponnenes Garn gefärbt werden durften, sondern nur das fertige Tuch infolge der zahlreichen Qualitätsprüfungen den letzten Veredlungsschritt durchlief. Am Ende der Bombasinproduktion stand also ein einfarbiges Seiden- oder Wolltuch als Futterstoff.
Aus dieser Aufzeichnung können wir also entnehmen, dass einfarbiges Seidentuch als Futterstoff produziert und verkauft wurde. Vergleichbare Zunftbestimmungen sind in den wenigen Überlieferungen Kölns und Aachens aus 13. Jahrhundert leider nicht enthalten.
Auf den Fotos nicht zu sehen:
Meine neuen Schuhe aus vegetabil gegerbtem, krappfgefärbtem Rindsleder, hinterlegt und verziert mit Seide in indigofärbung. Diese Schuhe haben wir basierend auf den Schleswigfunden konstruiert, in denen das zugehörige Schuhfragment leider nicht komplett erhalten ist.
Hier noch ein paar Abbildungen, die mein Outfit inspiriert haben:
Rothschild Canticles (um 1300) mit 3/4-Ärmeln
Die Geometrie am Freiburger Münster ebenfalls mit 3/4-Ärmeln
Straßburger Jungfrau mit 3/4-Ärmeln (Mitte, auf diesem Bild leider nicht gut zu erkennen)
Straßburger Figur um 1300 mit toller Kopfbedeckung
Literatur:
- Dietmar, Carl: Das mittelalterliche Köln. Köln 2004.
- Hermandung, Alex: Das Zunftwesen der Stadt Aachen bis zum Jahre 1681. Aachen 1908.
- Koch, Hans: Geschichte des Seidengewerbes in Köln vom 13. bis zum 18. Jahrhundert. Leipzig 1907.
- Lösch, Heinrich: Die Kölner Zunfturkunden nebst anderen Kölner Gewerbeurkunden bis zum Jahre 1500. Band 1-2. Bonn 1907.
- Trippen, Norbert (Hrsg.): Geschichte des Erzbistums Köln. Band 2: Das Erzbistum Köln im späten Mittelalter (1191-1515). Köln 1984.