Lohnt sich der Weg in die Ausstellung?
Dieser Artikel ist ein Gastbeitrag und wurde uns freundlicherweise von Markus und Vanessa Pilgermann zur Verfügung gestellt.
Ende Oktober haben wir uns auf den Weg nach Paderborn gemacht um uns die aktuelle Ausstellung im Erzbischöflichen Diozäsanmuseum anzusehen. Unser Hund Ella hatte sich dagegen entschieden, uns zu begleiten. So altes Zeug, das größtenteils nicht „unserem“ – dem 14. Jahrhundert entspringe, interessiere sie nicht die Kaffeebohne, ließ sie wissen und machte sich lieber einen gemütlichen, freien Nachmittag in unserer Hausstatt. Wer möchte es ihr verübeln…?
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Ella, mit freundlicher Genehmigung von Vanessa Pilgermann
Es ist schon beeindruckend: Gänzlich abgeschottet von dicken Glasscheiben und nur mit spärlicher Beleuchtung, liegt vor uns ein Sammelsurium an Gegenständen, die mich wirklich in den Bann ziehen. Zwei Schachfiguren (Ein Turm und ein Erzbischof), ein Pilgerzeichen – worüber wir uns erst einmal (zum Ärger der „Aufpasser“) köstlich amüsiert und ausgelassen haben – , eine wirklich erstaunlich gut erhaltende Silberbrosche aus dem frühen 14. Jahrhundert und ein handliches Keramikgefäß aus dem 13. Jahrhundert. Es sind Leihgaben des Lippischen Landesmuseum Detmold und Funde von der Falkenburg. Das Ganze ist wie eine kleine Zeitreise. Wieder einmal bestätigten sich für mich hier die Worte von Otto Borst: […] „Dazu kommt, dass die Quellenlage arg einseitig ist. Wir haben in der Hauptsache die schriftlichen Hinterlassenschaften des Klerus und der Herren vor uns, nicht aber der Unterschichten und der Bauern. Wir kennen fast nur noch die erhalten gebliebenen Steinbauten, während der sehr viel größere Teil der Holzbauten verschwunden ist.“
Gotik – Der Paderborner Dom und die Baukultur des 13ten Jahrhundert in Europa. Eine Ausstellung im Erzbischöflichen Diözesanmusum Paderborn.
Sie gliedert sich in sechs themenbezogene Einheiten.
Dem Imad-Dom als Bezugsgröße ist die erste Einheit gewidmet. (1058 – 1068).
Unter anderem ist dort Ausgestellt: Ein Rekonstruktionsmodel des Paderborner Dombaus unter Bischof Imad, ein Sammelband mit theologischen Texten( Zisterzienserkloster Schönau, 11.-14. Jahrhundert), eine thronende Madonna (1051 und 1058, Lindenholz) und verschiedene Elfenbeintafeln aus Konstantinopel 10./11. Jahrhundert. Diese waren wohl Mittelteile einer dreiteiligen Klapptafel (Triptychon). Unserer bescheidenen Meinung nach war der Kreuzfuß mit Engeln aus Bronze (Nordwestdeutschland, 3. Drittel 11 Jahrhundert, Berlin, Staatliche Museen zu Berlin, Preußischer Kulturbesitz, Kunstgewerbe Museum, Inv,-Nr.: 1936,1) der Blickfänger in diesem Raum.
Außerdem eine Schachfigur aus der Ausgrabungsstätte Falkenburg.
Das zweite Kapitel der Ausstellung befasst sich mit dem Thema: Neues Konzept auf altem Fundament: Die Akteure und der Neubau des Domes im 13. Jahrhundert.
Neben einem Gewölbeschlussstein mit „Lippischer Rose“, einer Piscina aus der Zisterzienserabteikirche Marienfeld, einem Kelch (Westfalen/Lippstadt(?), 1. Viertel 14. Jahrhundert, Silber, getrieben, gegossen, graviert, vergoldet) waren es wie oben bereits erwähnt, die Funde von der Falkenburg, die diesen Ausflug bereichert haben. Gerade die Silberbrosche, die mit einem Durchmesser von 1,3 cm wirklich winzig war, hat mich einige Zeit vor dem Schaukasten verweilen lassen. (Detmold, Lippisches Landesmuseum, Inv-Nr.: U 2093.22). Einige Stufen und Schritte weiter wurden verschiedene Münzen der Paderborner Bischöfe im 13. Jahrhundert ausgestellt. Für Paderborn ist eine Münzrechtsurkunde nicht erhalten. 1028 wurde aber das Recht bestätigt. Im 14. Jahrhundert spielte die Münzstätte Paderborn keine Rolle mehr.
Kapitel 3 der Ausstellung befasst sich mit dem Thema: Kathedralbau im 13. Jahrhundert – Formentransfer, Dynamik und Innovation im Baubetrieb.
Und dort stand – bzw. lag – sie. Die Weltchronik von Rudolf von Ems. Und da kommen wir zu einem wichtigen Punkt: Viele Originale sind nur noch bis Dezember 2018 dort ausgestellt. Unter anderem auch die Weltchronik.
Die Miniatur zum Turmbau zu Babel steht am Ende des Kapitels, in dem Rudolf von Ems das hochmütige Unterfangen ausführlich schildert (fol. 9vab). Und um die Hybris der bis in den Himmel strebenden Architektur auch optisch nachvollziehbar zu machen, ist der Rahmen der Miniatur für den Kran gesprengt.
Auf Fol. 16Rab folgt die beinah ganzseitige Darstellung einer Großbaustelle. Darin ist der Turm aus roten Quadern mit exaktem Fugenstrich Mittelpunkt des Geschehens. Werkzeuge und Arbeitsmethoden entsprechen nicht der biblischen Zeit, sondern bilden den zur Entstehungszeit der Handschrift bereits etablierten Baubetrieb der Gotik ab.

Abb 2: Turmbau zu Babel, Weltchronik von Rudolf von Ems, 1383, Stuttgart, Württembergische Landesbibliothek, Codex Bibl. 2°5, fol 9v.
Apropos Werkzeuge: Neben verschiedener Hebewerkzeuge waren dort auch zwei eiserne Meißel, Knüpfel, Fäustel, Schlageisen, Zweispitz und Spitzeisen ausgestellt. Leihgaben des Freiburger Münsterbauverein e.V..
Eben verschiedener steinender Fragmente (z.B. Fragment eines Wandsäulen-Knospenkapitells) wurden auch verschiedene Fragmente einer Grisaillevergalsung und abermals sehr viele verschiedene Urkunde verschiedener Bischöfe, ausgestellt.
Beim Atlant mit Kämpfer (Abguss), Original: Mainz, um 1239 habe ich sogar meine wendegenähten Schuhe wieder erkannt. Dies ist natürlich ein erfreuliches Detail für jeden Reenactor.
Der Paderborner Dombau des 13. Jahrhunderts – Architektur und Skulptur. Die mediale Qualität der Werke lautet das vierte Kapitel der Ausstellung.
Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich mich weniger für verschiedene Bauelemente des Doms interessiere. Gewölbe, Fragmente oder Architekturfragmente aus Kathedralen bringen mein Herz nicht zum höher Schlagen. Falls sich jedoch jemand für sowas interessiert, dann ist Kapitel 4 genau das richtige für dich.
Die Fuststraßen-Madonna (um 1250, ehemals im Dom zu Mainz) hat mir persönlich aber sehr gut gefallen. Besonders die Gürtelbeschläge haben uns so gut gefallen, dass Markus sein Notizbuch zückte und die Beschläge abzuzeichnen begann. Dies empfand der zugeteilte Aufseher dieses Abteils augenscheinlich als sehr bedenklich.
Er wich uns für den Rest der Ausstellung nicht mehr von der Seite. Ich empfand es als sehr störend und ärgerlich. Da zur gleichen Zeit drei Führungen in Gruppen zu mindestens 20 Leuten stattfand, die ebenfalls die Exponate anstarrten, betrachtete man uns wohl als merkwürdige Störenfriede. Schade.
Neben der Madonna waren außerdem die Pontifikalien aus einem Bischofsgrab ein Blickfang:
- Eine Mitra (Sizilien (?), viertes Viertel 12. Jahrhundert, Halbseidengewebe mit Goldborten, ehemals vielfarbige Seide, Goldfäden – H. 27 cm, (mit Fanones 63 cm); B. 28,5 cm.
- Eine Krümme eines Bischofsstabes (Limoges, erstes Drittel 13. Jahrundert), Kupfer vergoldet; Emaille, farbiger Glasfluss – L. 51 cm; Krümme Dm. 12 cm
- Ein Pontifikalring (Italien (?), erste Hälfte 13. Jahrhundert (?), Gold, Amethyst und weitere Halbedelsteine)
- und zuletzt noch ein Reisekelch mit Patene (Mainz (?), um 1230/40.)
Kapitel 5 trägt den Namen: Ecclesia nostra Paderbornensis – Kirchenausstattung und Liturgie.
Erschwert durch den ständigen Begleiter haben wir uns dort einen Kelch aus dem Paderborner Domschatz (Westfalen/Paderborn (?) um 1300), eine Pyxis mit Haubendeckel ( Limoges, Mitte 13. Jahrhundert), eine Hostiendose (Westfalen/Niedersachsen, wohl um 1220/30), ein Altarleuchterpaar (Weserraum (?), 14. Jahrhundert) und ein Weihrauchfass (Rheinland, Ende 13. Jahrhundert) angesehen.
Mitten im Raum steht ein Herr in Rot gekleidet. Die Figur ist aus Sandstein. Sie ordnet sich im letzten Viertel des 13. Jahrhundert ein. Atzmann aus der ehem. Chorherrenstiftkirsche in Fitzlar. Die frontal ausgerichtete, vollplastische Figur stellt einen Diakon dar, der ein Pult für die Handschriften zur Lesung im Gottesdienst hält. Solche figürlichen Pulte werden „Atzmann“ genannt.
Links und rechts wird der Raum von verschiedenen Schriftstücken gesäumt, wieder mit dicken Wachssiegeln. Es geht in diesem Kapitel optisch sehr um die Reliquienverehrung im 13. Jahrhundert. Bergkristall ist DAS Ding. Überall und ständig taucht dieses Material auf. Beispielsweise in einem Walzenreliquiar (Westfalen um 1200), oder im St. Anna-Trägerreliquiar (Trier, 1. Hälfte 14. Jahrhundert).

Abb 3: Trier Domschatzkammer, St. Anna, Trägerreliquar, Online verfügbar unter: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/4/49/2018_Trier%2C_Domschatzkammer%2C_Anna-Tr%C3%A4gerreliquiar.jpg/766px-2018_Trier%2C_Domschatzkammer%2C_Anna-Tr%C3%A4gerreliquiar.jpgVeröffentlicht unter der Creative Commons Attribution-Share Alike 4.0 International Lizenz, Urheber: Kleon3, Wikimedia Commons
Als guter Klavierspieler waren die Graduale oder Missale aus dem Paderborner Dom für Markus einen genaueren Blick wert. Auch der Magnus liber organi de Gradalo et Antifonario ( Paris, Mitte 13. Jahrhundert) war einfach nur wunderschön verziert und sehr gut erhalten.
Gerne möchte ich zu diesem Thema wieder Otto Borst zitieren: „So hat dieses 11. Jahrhunder der Dominanz der Kirche die Wege geöffnet, übrigens nicht nur im Optischen, sondern auch im Akustischen. Erst im 11. Jahrhundert begegnen wir einer Ordnung der Mehrstimmigkeit in der Musik, die eine Erfindung des Abendlandes ist. […] der italienische Mönch Guido von Arezzo entwickelte dann im 11. Jahrundert jenes Notensystem, das sich über die Jahrhunderte bewährte und heute noch im Gebrauch ist.“
„Ohne Tacktstriche – im heutigen Sinn – ist es für mich sehr schwer nachzuvollziehen, was dort gespielt wird.“ erklärt Markus nach kurzer Zeit. Jedoch ist es dennoch spannend mal Noten für „richtige“ Mittelaltermusik zu sehen ;).
Das letzte Kapitel der Ausstellung beschäftigt sich mit dem Thema: Gotik en miniature- Mikroarchtitektur in der Kunst der Gotik.
Im letzten Kapitel stauten sich die drei großen Besuchergruppen. Und auch unser Kopf lief langsam über vor Informationen. Wieder ein paar Weihrauchfässer (aus Menne), wieder ein beeindruckendes Walzenförmiges Reliquiar, ein Dreiturmreliquiar (aus Aachen, 2. Hälfte 14. Jahrhundert), ein Reliquar aus dem 15ten (Köln (?)), verschiedene Altaraufsätze und viel Gold nebst Edelsteine.
Damit endete die Ausstellung.

Abb 4: Eintrittskarten, mit freundlicher Genehmigung von Markus Pilgermann
Was nehmen wir aus der Ausstellung mit? Den Katalog natürlich! Auch hat es aber nachhaltig Eindruck auf uns gemacht, den Stücken – über die man bisweilen gelesen oder die man als Replik ggf. schon einmal gesehen hat – einmal sozusagen „Auge in Auge“ gegenüberzustehen. Es hat etwas – ‚tschuldigung, unwissenschaftlich 😉 – magisches, solchen Relikten aus einer anderen Zeit zu „begegnen“ und diese persönlich kennenzulernen. Darüber hinaus steht als zukünftiges Ziel jetzt schon fest: die Ausgrabungsstätte Falkenburg wird besucht.
Literatur-/Abbildungsverzeichnis
Titelbild: Eingang Ausstellung, mit freundlicher Genehmigung von Markus Pilgermann
Abb 1: Ella, mit freundlicher Genehmigung von Vanessa Pilgermann2
Abb 2: Turmbau zu Babel, Weltchronik von Rudolf von Ems, 1383, Stuttgart, Württembergische Landesbibliothek, Codex Bibl. 2°5, fol 9v.
Abb 3: Trier Domschatzkammer, St. Anna, Trägerreliquar, Online verfügbar unter: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/4/49/2018_Trier%2C_Domschatzkammer%2C_Anna-Tr%C3%A4gerreliquiar.jpg/766px-2018_Trier%2C_Domschatzkammer%2C_Anna-Tr%C3%A4gerreliquiar.jpg Ver%C3%B6ffentlicht“://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/4/49/2018_Trier%2C_Domschatzkammer%2C_Anna-Tr%C3%A4gerreliquiar.jpg/766px-2018_Trier%2C_Domschatzkammer%2C_Anna-Tr%C3%A4gerreliquiar.jpg Veröffentlicht unter der Creative Commons Attribution-Share Alike 4.0 International Lizenz, Urheber: Kleon3, Wikimedia Commons
Abb 4: Eintrittskarten, mit freundlicher Genehmigung von Markus Pilgermann
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