Machen Frauen Geschichte? Die Königin als schmückendes Beiwerk des ottonischen Hofs.

Im Geschichtsstudium lernt man mehr als nur Daten, Zahlen und Ereignisse. Ganz im Gegenteil: Es geht darum, Zusammenhänge zu erkennen und dadurch Prozesse aufzudecken und zu verstehen.
Als kleine Fingerübung sollte ich also vor einigen Wochen ein Essay schreiben, in dem es um die Frage geht, welchen Stellenwert den ottonischen Königinnen am Hofe  zukam. Der Fokus liegt hierbei auf den Frauen von Otto I. und Otto II., ich erhebe hier also keinen Anspruch auf eine gesamtottonische Ausarbeitung.

Mater regnorum – Mutter der Königreiche, so wurde Kaiserin Adelheid von ihrem Zeitgenossen Gerbert von Aurillac in seinen Briefen bezeichnet. Es stellt sich nun die Frage, wodurch diese zutiefst ehrerbietende Betitelung der Gemahlin Ottos des Großen zustande kam. War die Königin am ottonischen Hof bloß schmückendes Beiwerk ihres Gatten oder konnte sie doch reale Macht ausüben?
In Fragen der Stellung der Königinnen zu Zeiten ottonischer Regierung ist die Betrachtung dreier Frauen von besonderer Aussagekraft: Edgith aus dem angelsächsischen Königshaus Wessex, erste Frau Ottos I., Adelheid aus Hochburgund, zweite Frau Ottos I., und die Byzantinerin Theophanu, die Gemahlin Ottos II.

Die Engländerin Edgith stellt in diesem Kontext die erste Königin besonderen Prestiges dar, da Otto I. als erster deutscher Herrscher auf eine Rückhalt bringende Vermählung innerhalb der ostfränkischen Adelsfamilien verzichtete und stattdessen eine Gemahlin eines femdländischen Königshauses wählte. Diese Entscheidung führte zwar dazu, dass er konkurrierende Adelsfamilien durch Heirat nicht an sich binden konnte, befreite ihn jedoch gleichzeitig von möglichen Konflikten über Machtansprüche, die diese Familien über die Verwandtschaft hätten ableiten können.

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Obwohl über Edgiths Leben am ottonischen Hof nicht viel bekannt ist, wird sie doch vermutlich mit ihrem religiösen Prestige überzeugt haben, da das Haus Wessex seine Abstammung von dem angelsächsischen König und Märtyrer Oswald von Nothumbrien herleiten konnte. Zudem stellte sie das Bindeglied zwischen zwei bedeutenden europäischen Herrscherfamilien dar, die kulturellen Einfluss und einen erweiterten Machtbereich für die ottonische Familie bedeutete. Nachdem die Kaiserin 946 verstarb, wurde der Versuch unternommen, sie durch Wunderberichte an ihrem Grab selbst zur Heiligen zu erheben. Auch wenn dieses Unterfangen vergeblich war, so spiegelt es doch die Einordnung der Angelsächsin in das religiöse Verständnis ihrer Zeitgenossen wider.

Infolge von Edgiths Tod hielt die vormals italienische Königin Adelheid aus dem Haus Burgund Einzug in das ottonische Reich. Diese musste nach dem Tod ihres Gatten König Lothar II. aus Italien fliehen um einer Verheiratung mit dem Sohn dessen Gegenspielers, Adalbert von Ivrea, zu entgehen. Unter mühseligen Umständen, so berichtet die Überlieferung, konnte sie aus Italien fliehen und repräsentierte fortan die dem neuen Herrscher feindlich gesinnten oberitalienischen Adelsgruppen. Somit brachte Adelheid enormen Einfluss über große Teile Italiens mit in die neue Ehe mit Otto I. Denn abgesehen von ihren Beziehungen zu den italienischen Adelshäusern verfügte sie durch ihre Witwenausstattung auch über Besitztümer in Ober- und Mittelitalien, deren Einflussnahme Otto I. ohne Mühe nutzen konnte. Wo es Adelheid also an fremdländischem Glanz zum bloßen schmückenden Beiwerk ihres Mannes fehlte, konnte sie durch ihre politischen Beziehungen den Machtbereich der Ottonen über die Alpen hinweg nach Italien und Burgund hinein erweitern.

Diesen Verbindungen ist es vermutlich nicht zuletzt zu verdanken, dass Otto sich schließlich um die Kaiserkrone bemühte und diese im Jahre 962 – gemeinsam mit Adelheid – auch erhielt. Der Kaiserin wurde zu dieser erstmaligen Doppelkrönung ein eigener Ordo verfasst, der die Krönungsformalia auf ihre Person anpasste. Mit der Erhebung zur Kaiserin ging im Falle Adelheids eine enorme Einflussnahme in die politischen Geschäfte der ottonischen Regierung einher. So war sie mitunter eine vielfach kontaktierte Anlaufstelle in Vermittlungsangelegenheiten zwischen König und den Großen des Reiches.

Doch auch der Kirche kamen unter Adelheids Einflussnahme zahlreiche Beigaben zu. So gründete sie mitunter im Ostfränkischen Reich, in Oberitalien und in Burgund jeweils ein Kloster, gründete die langobardische Abtei San Salvatore Maggiore neu und stiftete das Kloster Selz im Esaß. Abt Odilo von Cluny verfasste schließlich eine Lebensbeschreibung Adelheids, in der er sie zur tugendhaften Kämpferin gerechter Interessen stilisierte und die Spannungen zwischen ihr und ihrer Schwiegertochter Theophanu besonders hervorhob.

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Nicht nur in Fragen der Herrschaftspraxis, sondern auch in Bezug auf den kulturellen Hintergrund, sticht nun Theophanu, die letzte der drei großen ottonischen Kaiserinnen, besonders heraus. Die Nichte des byzantinischen Thronräubers Johannes I. Tzimiskes wurde im Jahre 972 mit dem bereits zum Kaiser gekrönten Otto II. verheiratet und fungierte somit als Bindeglied zwischen dem nicht adeligen byzantinischen Herrscher und dem mächtigen ottonischen Haus. Abgesehen von dem feudalen Brautschatz brachte die etwa 12 Jahre alte Braut jedoch kaum Besitztümer mit in ihre neue Heimat. Die sogenannte Heiratsurkunde der Theophanu wurde zwar nach byzantinischem Vorbild als prunkvolle Schrift auf purpurfarbenem Pergament gestaltet, stammt jedoch aus ottonischer Herstellung und spiegelt somit die westliche Vorstellung byzantinischer Pracht wieder. Dem wirkungsvollen Anklang ihrer Herkunft zum Trotz, sind die zeitgemäßen Kritiken aus klerikalen Kreisen, die Kaiserin rege mit ihren aufwendigen Roben auch ottonische Frauen zu überschwänglichem Luxus an, doch unzulänglich. Auch wenn ihre Fremdartigkeit exotische Vorstellungen über das weit entfernte Byzanz geweckt haben mag, so schlug sich diese doch eher darin nieder, dass die neue Kaiserin keine inländischen Beziehungen und keine Anhängerschaft im Reich vorweisen konnte. Vielmehr war sie auf die Bestände ihres Gatten angewiesen, ohne diese durch eigene Besitzungen oder Beziehungen erweitern zu können. So war es Theophanu zunächst – insbesondere zu Leb- und Regierungszeiten ihres Mannes – nicht möglich, eigene Herrschaftsschwerpunkte zu setzen.

So mag sie bis zum Tode Ottos II. im Jahre 983 tatsächlich vorwiegend als schmückendes Beiwerk, denn als Regentin fungiert haben. In den folgenden Jahren präsentierte sich die verwitwete Theophanu jedoch als durchsetzungsstarke Kaiserin, die das deutsche Reich, gemeinsam mit ihrer Schwiegermutter Adelheid, als Vormund ihres minderjährigen Sohnes Ottos III. ganz in ottonischer Tradition zu führen wusste.

Die beiden Kaiserinnen wurden zunächst durch die Einmischung durch Heinrich den Zänker zusammengeführt, der versuchte, sich des Thronfolgers Otto III. zu bemächtigen. Ob in dieser heiklen Lage die Machtübergabe an Theophanu und Adelheid geschah, um die gegenwärtigen Machtverhältnisse im Reich aufrecht zu erhalten, ist unklar. Deutlich wurde jedoch, dass in diesem Fall die Beziehungen Adelheids zum Ausgleich mit Heinrich führten. Diese war nicht nur mit dem Vater Heinrichs bekannt, sondern schaffte es auch, ihren Bruder Konrad, den Erzbischof von Mainz Willigis und den Bischof Hildebald von Worms als einflussreiche Vermittler und Berater auf ihrer Seite zu wissen.

Während Adelheid sich nach diesen Ereignissen nach Italien und Burgund zurückzog, regierte Theophanu noch einige Jahre als Kaiserin des deutschen Reiches. Nördlich der Alpen geschah dies als deutliche Vormundherrschaft für Otto III., erkennbar an den Urkunden, die stets auf seinen Namen ausgestellt wurden. Südlich der Alpen trat sie jedoch ganz offen als Kaiserin auf und stellte auch Urkunden auf ihren Namen aus. Infolge des Todes Theophanus im Jahr 991 ging die Herrschaftsgewalt wiederum auf Adelheid über, die diese bis zur Machübergabe an ihren Enkel Otto III. 994 ausführte.

Auch wenn es in den Lebensjahren der Herrscherinnen Abschnitte gegeben hat, in denen sie sich vorrangig der Leitung ihres Haushalts widmeten und nicht zuletzt durch ihre Herkunft oftmals als exotische Glanzlichter der hohen Gesellschaft gesehen wurden, so waren die ottonischen Herrscherinnen doch weitaus bedeutender. In den besprochenen Fällen ging mit der Eheschließung auch immer reale Einflussnahme in die Herrschaft einher, sei es in religiösen, kulturellen oder tatsächlich politischen Belangen.

– Ann

Bildnachweis:

Titelbild: Adelheid und Otto als Figuren im Meißner Dom, ca 1260, Foto von Wikipedia User „Koloss“, Multi-license with GFDL and Creative Commons CC-BY-SA-2.5 and older versions (2.0 and 1.0)